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Kunst & Literatur

Ich hab dir nie einen Rosengarten versprochen

Autor*in:Hannah Green
Verlag:Rowohlt Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2000, 288 Seiten
Rezensent*in:Gerald Mackenthun
Datum:31.03.2015

Die amerikanische Schriftstellerin Joanne Greenberg (geb. 1932 in Brooklyn, NYC) ist vor allem bekannt durch ihren 1964 publizierten Roman Ich hab dir nie einen Rosengarten versprochen (englisch: I Never Promised You a Rose Garden), den sie unter dem Pseudonym Hannah Green veröffentlicht hat. Der Roman behandelt die Heilung der Schizophrenie einer Jugendlichen aus einer jüdischen Familie in den 40er und 50er Jahren durch die die Schizophrenie-Behandlung wegbereitende Therapeutin Frieda Fromm-Reichmann in der Chestnut Lodge Klinik in Rockville, Maryland. Das Buch wurde alleine in der deutschen Übersetzung weit mehr als eine halbe Million Mal verkauft. 1977 wurde der Roman unter dem selben Titel Ich hab’ dir nie einen Rosengarten versprochenverfilmt; und 2004 entstand ein gleichnamiges Theaterstück.

Frieda Fromm-Reichmann (* 23. Oktober 1889 in Karlsruhe; † 28. April 1957 in Rockville, Maryland, USA) war eine deutsch-US-amerikanische Ärztin und Psychoanalytikerin. Sie gilt als Pionierin der analytisch orientierten Psychotherapie von Psychosen und Vertreterin der Neopsychoanalyse. Von 1918 bis 1920 arbeitete sie in Frankfurt am Main, bis 1923 im Privatsanatorium Weißer Hirsch in Dresden und anschließend in Berlin. Sie ließ sich zur Psychoanalytikerin ausbilden und eröffnete in Heidelberg ein privates Sanatorium, in dem sie auch psychotische Patienten behandelte. 1926 heiratete sie den Psychoanalytiker Erich Fromm und gründete 1929 mit ihm zusammen das Frankfurter Institut für Psychoanalyse. Um 1930 gehörte sie mit Franz Alexander, Otto Fenichel, Erich Fromm, Georg Groddeck, Karen Horney, Melanie Klein, Sándor Radó , Hanns Sachs und René A. Spitz zur Berliner psychoanalytischen Vereinigung. 1931 kam es zur Trennung von Erich Fromm.

1933 emigrierte Frieda Fromm-Reichmann über Straßburg und Palästina in die USA, wo sie als Psychotherapeutin in der von Dexter M. Bullard geleiteten Psychiatrischen Klinik Chestnut Lodge in Rockville, Maryland arbeitete. Dort lernte sie Harry Stack Sullivan kennen, von dessen interpersoneller Theorie sie stark beeinflusst wurde. 1943 gründete sie mit Harry Stack Sullivan, Erich Fromm, Clara Thompson und Janet Rioch das William Alanson White Institute of Psychiatry, Psychoanalysis and Psychology. Sie lehrte an der Washington School of Psychiatry und arbeitete als Director of Psychotherapy in Chestnut Lodge bis zu ihrem Tode.

In Fromm-Reichmanns Aufsatz Über die Einsamkeit wies sie auf die Bedeutung der Einsamkeit für die Entwicklung psychischer Störungen und Geisteskrankheiten hin. Dieser Einsamkeit stellte sie die Arzt-Patienten-Beziehung als heilende zwischenmenschliche Begegnung gegenüber: Der Therapeut sollte dem Patienten eine Brücke bauen, über die er aus der großen Einsamkeit seiner eigenen Welt zu Realität und menschlicher Wärme gehen kann. 1950 beschrieb sie die von ihr entwickelte Therapieform der „Intensiven Therapie“ im Werk Principles of Intensive Psychotherapy.

In dem autobiographischen Roman Greens ist die Ich-Erzählerin Deborah 16 Jahre alt. Ihre Eltern werden Esther und Jacob Blau genannt. Die Geschichte wird erzählt aus der Sicht eines scheinbar objektiven Dritten. Sie setzt damit ein, dass Jacob und Esther ihre Tochter Deborah offenbar im Oktober 1948 in einer zweitägigen, langen Fahrt von Chicago nach Maryland in die Klinik Chestnut Lodge bringen. Die Krankheit hatte heimtückisch und schleichend eingesetzt und kumulierte vorläufig in einem Selbstmordversuch, der endlich Anlass zum Handeln gibt. Die Eltern beschließen, der weiteren Verwandtschaft und auch ihrer zweiten Tochter Susi zu verheimlichen, dass Deborah in eine Irrenanstalt eingeliefert wurde; man würde etwas von einem Sanatorium und von Rekonvaleszenz erzählen. Auf Seite 14 wird die Ärztin Frau Dr. Fried (Fromm-Reichmann) vorgestellt. Indem Dr. Fried die Krankenakte ließ, erfährt der Leser mehr aus der Vorgeschichte: IQ 140-150; typisch schizophrene Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und masochistischen Komponenten; Auflösung des logischen Denkens, extreme Angstzustände; geboren 1932, Schwester fünf Jahre jünger, Vater 1913 aus Polen immigriert, Wohnort Chicago. Dr. Fried wird als klein, grauhaarig und pummelig beschrieben. Deborah hält sie zunächst für eine Haushälterin.

Die therapeutischen Bemühungen der Ärztin bestehen darin, Deborah in irgendeiner Weise an die reale Welt anzudocken. Die Arbeit ist intensiv, die Symptome und Geister der Vergangenheit müssen aufgestöbert werden. Dr. Fried ist erschöpft nach den Sitzungen. Die Intensität ihres Zuhören, ihres Teilnehmens ist so stark, dass sie im Zweifel ist, ob sie den ganzen Nachmittag lang die Schreie und Qualen der anderen Patienten aushalten würde. Der Sinn dieser Therapie und ihr Erfolg erscheinen erst, wenn die Welt für den Patienten Wirklichkeit wird. Nur ganz selten gibt die Ärztin dabei etwas von sich Preis. Einmal schenkte Fried ihr eine Blumenblüte, als Ausgleich und Trost für furchtbare Bestrafungen. Später erzählte sie ein wenig von sich, wie sie einmal mit ihrem Vater nach Karlsbad gefahren war, als sie noch selbst ein kleines Mädchen war. Diese persönlichen Momente sind äußerst kostbar und machen aus Deborah einen gleichberechtigten Partner (Seite 143).

Greens Denkweise ist komplex und arbeitet auf mehreren Ebenen: die Wahnsinnswelt, die Zwischenwelt, die Normalität mit den verschiedenen Bewusstseinsstufen. Auch die Normalität ist teilweise verborgen und unter Konventionen begraben. Man kann tot sein in der normalen Welt, aber man kann sich auch spüren und kämpfen. (Es ist natürlich kein politischer Kampf.) Deborah unterscheidet zwischen einer guten, gesunden Krankheit und einer kranken Krankheit. Die gesunde Krankheit hat noch Hoffnung und den Willen zu kämpfen. Die kranke Krankheit will sich arrangieren und in Ruhe gelassen werden oder aber den Anschluss an die vage Oberflächlichkeit von Konventionen finden. Den Unterschied wird man erst nach langer Zeit erkennen können.

Deborahs Lebensgeschichte bezieht ihre Spannung und Intensität nicht aus äußeren Verhältnissen, sondern aus inneren Entwicklungsvorgängen, aus seelischen Prozessen, die mit größter Subtilität nachgezeichnet sind. Der Leser muss bereit sein, sich von der Autorin führen zu lassen und dabei den Schritt über die Grenze zwischen Normalität und Wahnsinn zu wagen, die er für unüberschreitbar gehalten hatte.